Die nächste Katastrophe für Wohnimmobilien: Zwang zur Asbestsanierung?
Von Dagmar Henn
Es klingt wie ein tödliches Doppel: Nicht nur, dass Habecks Heizungsgesetz mittlerweile eine Austauschpflicht für alle Heizungen älter als 30 Jahre verordnet und auch noch festlegt, wodurch diese alte Heizung ausgetauscht werden muss. Nun gibt es zusätzliche Pläne, alle Gebäude, die vor 1993 errichtet wurden, zum "Asbest-Verdachtsfall" zu erklären. Ein entsprechender Referentenentwurf soll Presseberichten zufolge im Bundesbauministerium in Arbeit sein.
Die Einführung einer solchen Regelung würde bedeuten, dass vor einer Sanierung überprüft werden muss, ob in diesem Gebäude einst Asbest verbaut wurde, wonach im Falle eines positiven Befundes eine entsprechend aufwendige und teure Asbestsanierung anfallen würde. Die Kosten dafür verbleiben beim Eigentümer (oder landen dann – im Falle einer Mietwohnung – am Ende beim Mieter).
Das Problem: Ein Austausch einer vorherigen Gas- oder Ölheizung gegen die nun vorgeschriebene Wärmepumpe erfordert bei älteren Gebäuden in der Regel eine umfassende Sanierung, weil zusätzliche Dämmung und eventuell eine Umstellung auf Fußbodenheizung erforderlich werden. Diese Sanierung löst aber dann automatisch die Asbest-Untersuchung aus, wie auch deren mögliche Konsequenzen.
Bis zu einem Drittel der Bauten dieser Altersklasse soll, in unterschiedlichem Maß, mit Asbest belastet sein. Es wurde nicht nur zur Dämmung verwendet, sondern auch in weit unauffälligeren Materialien wie zum Verputzen oder im Fliesenkleber. Es geht also nicht nur um die bekannten Eternit-Platten. Das bedeutet wiederum, dass allein die Untersuchung auf eine mögliche Asbestbelastung sehr aufwendig wird, weil womöglich jeder Boden, jede Wand einzeln untersucht werden müssten.
Bisher ist eine Überprüfung auf Asbestbelastung für Privatleute nicht verpflichtend, genauso wenig, wie es bis vor Kurzem keine gesetzliche Verpflichtung gab, eine funktionierende Heizung auszutauschen. Nun kann die Austauschpflicht nur bei Gebäuden greifen, die vor 1994 gebaut wurden. Das heißt, alle betroffenen Gebäude und Wohnungen würden zugleich von einem drohenden Status als Asbest-Verdachtsfall betroffen sein.
Da der Bestand an Wohnungen aus der Zeit vor 1993 in Deutschland bei geschätzt mindestens 30 Millionen liegt, statistisch wohl mindestens eine Million davon in jedem Jahr verpflichtet sein dürfte, die Heizung auszutauschen, und bei einem Drittel davon wiederum zu erwarten ist, dass tatsächlich irgendwo Asbest vorliegt, ginge es hier um eine Asbestsanierung mehr als 300.000 Wohnungen – pro Jahr!
Natürlich wurde bisher von niemandem überprüft, ob überhaupt die entsprechenden Sanierungskapazitäten vorhanden sind, ganz zu schweigen von der Frage, wie diese zusätzlichen Kosten finanziert werden sollen, in einer Zeit vergleichsweise hoher Zinsen und unberechenbarer Immobilienwerte. Denn einzig große, institutionelle Anleger dürften überhaupt die finanziellen Reserven haben, um die so erzwungenen Sanierungen stemmen zu können – die allerdings haben das Problem längst erkannt und sind dabei, sich in großem Maßstab aus den Wohnimmobilien zurückzuziehen.
Zu einem Zeitpunkt realer Wohnungsnot und steigender Wohnungslosigkeit sind derartige Maßnahmen geradezu Musterbeispiele dafür, wie man ohnehin bestehende Probleme drastisch weiter verschärfen kann. Selbst große, kommunale Wohnungsunternehmen, die versuchen, die entsprechenden Sanierungen so sozial wie möglich durchzuführen, werden schon daran scheitern, ihren Mietern für den Zeitraum derartig umfangreicher Sanierungsarbeiten überhaupt Ersatzwohnraum bieten zu können.
In vielen Fällen wurden gerade in diesem Bereich alte Heizanlagen nicht angetastet, solange sie funktionierten, weil die Mieter die durch eine Sanierung massiv erhöhten Mieten schlicht nicht mehr zahlen konnten. Das Heizungsgesetz kennt solche Rücksichten nicht. Ähnlich stellt es sich bei Genossenschaften dar, bei denen ebenfalls die günstige Miete der entscheidende Faktor ist. Bereits bei der alten Energieeinsparverordnung waren viele darunter zu dem Schluss gekommen, dass ein "Abwohnen" der Substanz vernünftiger ist als eine Sanierung.
Nun wird durch die Kombination aus "Asbestverdacht" und "Heizungsgesetz" eine Situation forciert, in der sich in vielen Fällen Abriss und Neubau als die günstigere Lösung erweisen würde – wenn, ja, wenn da nicht die steigenden Zinssätze und Baukosten wären, und das weitere Problem, dass zusätzliche Baukapazitäten in entsprechendem Umfang gar nicht vorhanden sind.
Die sozialen Folgen wird man spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten nachzählen können. Gegen die Einbeziehung privater Gebäude in den "Asbestverdacht" haben inzwischen sowohl eine Reihe von Verbänden als auch mehrere Landesbauminister protestiert. Ob diese zusätzliche Belastung des Wohnungsmarktes noch abzuwenden ist, wird sich erweisen. Es ist jedenfalls neben dem Heizungsgesetz und der Frage, was die neue EU-Verordnung zur Gebäudeenergie beinhaltet, bereits der dritte Punkt, der selbst die Bewertung vorhandener Immobilien fast unmöglich macht.
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