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Warum Biden neue Strategieberater für Russland braucht

Joe Bidens hochrangige Ratgeber, US-Außenminister Antony Blinken und sein Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan, haben zur bedeutendsten außenpolitischen Krise in der modernen Geschichte erheblich beigetragen. Es ist Zeit für neue Berater.
Warum Biden neue Strategieberater für Russland brauchtQuelle: www.globallookpress.com © Yuri Gripas/Consolidated News Photos

Eine Analyse von Scott Ritter

Obwohl er jahrzehntelang im Senatsausschuss für auswärtige Beziehungen saß, ist US-Präsident Joe Biden kein Russlandexperte. Seine Erfahrung im Senat, zu der auch die umstrittene Unterstützung der NATO-Osterweiterung gehört, in Kombination mit einer führenden Rolle, die er bei der Koordination der Ukraine-Politik unter US-Präsident Barack Obama spielte, hat Bidens Bild über Russland verzerrt, das mit einer Politik verbunden ist, die von Moskau derzeit herausgefordert wird. Biden teilt seine Weltanschauung mit dem verstorbenen US-Senator John McCain, einem Falken im Senat, der einmal witzelte, dass "Russland eine Tankstelle ist, die sich als Nation gibt". Offensichtlich verstand McCain nicht, wie wichtig Tankstellen für Volkswirtschaften sind, die von fossilen Brennstoffen abhängig sind.

Biden hat Putin einen "Killer" genannt und zeigte somit, dass er weder Tatsachen noch diplomatischen Normen Beachtung schenkt. Aber die vielleicht ungeheuerlichste Demonstration eines Mangels an grundlegender Wertschätzung, die Biden gegenüber Russland und seiner Rolle in der globalen Geopolitik hat, sind die Kommentare des US-Präsidenten gegenüber der Presse nach seinem Treffen mit Putin am 17. Juni 2021 in Genf.

Der US-Präsident wurde gefragt, ob er irgendetwas aus seinen Gesprächen mit dem russischen Präsidenten mitgenommen habe, das darauf hindeute, wie der Reporter es ausdrückte, "dass Herr Putin beschlossen hat, sich von seiner grundlegenden Rolle als Störer, insbesondere als Störer der NATO und der Vereinigte Staaten zu lösen". Die Antwort des US-Präsidenten unterstrich, wie wenig er von Russland, der russischen Politik und den geopolitischen Realitäten der Gegenwart versteht. Biden sagte: "Ich denke, das Letzte, was Putin jetzt will, ist ein Kalter Krieg. Ohne ihn zu zitieren – was ich nicht für angemessen halte – lassen Sie mich eine rhetorische Frage stellen: Russland hat eine mehrere Tausend Meilen lange Grenze zu China. China schreitet voran und versucht, die mächtigste Volkswirtschaft der Welt zu werden und das größte und mächtigste Militär der Welt zu haben. China befindet sich in einer wirtschaftlich problematischen Situation und muss sich in Bezug auf sein Wirtschaftswachstum aggressiver bewegen. Ich glaube nicht, dass Putin einen Kalten Krieg mit den Vereinigten Staaten anstrebt."

Weniger als acht Monate später sind es die Vereinigten Staaten, die beschuldigt werden, eine Agenda des "Kalten Krieges" zu verfolgen, eine Agenda, die Peking und Moskau auf beispiellose Weise zusammengebracht hat, vereint durch die wahrgenommene Bedrohung durch die USA und ihre Verbündeten.

In einer umfassenden gemeinsamen Erklärung, die nach dem Treffen zwischen Putin und Xi Jinping am Tag der Eröffnung der Olympischen Winterspiele in Peking veröffentlicht wurde, forderten Russland und China alle Staaten auf, "die von den Vereinten Nationen vorangetriebene internationale Architektur und die "auf internationalem Recht basierende Weltordnung" zu schützen, die im Gegensatz zu der "auf internationalen Regeln basierenden Weltordnung" steht, die von der Biden-Administration propagiert wird. Dies ist ein Schuss vor den Bug der USA und ihrer Verbündeten, der sie darüber in Kenntnis setzt, dass ihre fortgesetzten Bemühungen, archaischen Strukturen, die nach dem Zweiten Weltkrieg der Welt auferlegt wurden, neue Relevanz einzuhauchen, nicht unwidersprochen bleiben werden.

US-Präsident Biden steht vor einem neuen politischen Debakel mit massiven geopolitischen Folgen. Die USA können es sich nicht leisten, sich aus der aktuellen Situation herauszuwinden, nachdem sowohl Russland als auch China den Bluff entblößt haben. Die USA kann sich auch nicht durchsetzen, indem man aufs Ganze geht und einen Konflikt auslöst, bei dem weder Washington noch seine Verbündeten in der Lage wären, sich zu behaupten. Als Hauptarchitekten der Doktrin der "regelbasierten internationalen Ordnung", die heute die US-Außenpolitik dominiert, sind weder Biden noch seine beiden wichtigsten außenpolitischen Berater Blinken und Sullivan ideologisch oder intellektuell in der Lage, ihren Kurs zu ändern. Sie ziehen es vor, das Schiff auf Grund laufen zu lassen, um ihre sogenannten "Prinzipien" zu verteidigen.

Alle drei haben gemein, dass ihre globale Vision der USA vis-a-vis Russland von einem Kollektiv drittklassiger "Russlandexperten" geformt wurde. Angeführt vom ehemaligen US-Botschafter in Moskau Michael McFaul, den Autoren und Journalisten Anne Applebaum, Susan Glasser, Masha Gessen, Steven Hall, dem ehemaligen CIA-Mitarbeiter John Sipher und anderen ihresgleichen. Menschen, deren Ignoranz gegenüber der Realität Russlands nur noch übertroffen wird von ihrer einzigartigen Fokussierung auf die Person des russischen Präsidenten Wladimir Putin als Personifikation des Bösen.

Jeglicher Einfluss, den solche Personen – also ehemalige Diplomaten, Akademiker, Intellektuelle und Spione – auf die aktuelle Formulierung einer Russlandstrategie und deren Umsetzung haben, bleibt jedoch indirekt. Keiner von ihnen sitzt mit in der dünnen Luft der Strategieformulierung und -umsetzung, wie sie aus dem Weißen Haus heraus betrieben wird.

Wenn sich die USA jeglicher Hoffnung hingeben wollen, dass ihre derzeitige politische Reise nicht mit demselben Ergebnis wie die Reise der Titanic enden wird, dann braucht das Weiße Haus eine Kohorte von in der Wolle gewaschenen Experten für Russland, die den notwendigen Zugang haben, um den Präsidenten jederzeit zu beraten, damit deren Ratschläge zu einem Teil der Überlegungen werden, bevor die Politik irgendwelche Überlegungen umgesetzt. Ein solcher Beraterstab müsste den von Biden, Blinken und Sullivan propagierten Fokus auf eine "regelbasierte internationale Ordnung" ignorieren.

Irgendwann muss Joe Biden als Oberbefehlshaber erkennen, dass er ein gescheitertes Konzept propagiert. Auch wenn es zu viel verlangt wäre, die Architekten dieses politischen Debakels feuern zu lassen, täte der Präsident gut daran, den wenigen Stimmen der Vernunft, die Teil seines inneren Zirkels sind, mehr Gewicht zu verleihen.

Alle, die hoffen, dass das US-Militär in die Bresche springen wird, sollten noch mal in sich gehen. Es gab eine Zeit, als hochrangige US-Offiziere in der Kunst der kombinierten Waffenkriegsführung geschult wurden, wie sie in Europa gegen einen sowjetischen Feind praktiziert worden wäre. Aber diese Tage sind vorbei. Die derzeitige Auswahl an Generälen, angeführt von General Mark Milley, hat damit Karriere gemacht, dass sie Konflikte geringer Intensität im Irak und in Afghanistan ausgefochten und verloren haben. Dabei haben sie dem Umbau des US-Militärs von einer Streitmacht der Weltklasse zu einer aufgeblähten Bürokratie zugesehen, die nicht in der Lage ist, militärische Macht sinnvoller einzusetzen als in Konflikte zur Aufstandsbekämpfung.

Das "Bauchgefühl" von General Mark Milley für groß angelegte konventionelle Konflikte ist rein theoretisch, wie seine jüngste Stellungnahme an den Kongress über seine Einschätzung angeblicher russischer Invasionspläne in Bezug auf die Ukraine widerspiegelt.

Es gab eine Zeit, in der das US-Militär die besten Offiziere für das russische Ausland (FAO) hervorbrachte, die man sich vorstellen konnte. Experten in der russischen Sprache und Kultur, die in der Lage waren, hochrangigen politischen Entscheidungsträgern, Militärs und Zivilbehörden fundierte Ratschläge zu geben. Diese Offiziere waren in der Realität, was ein Krieg mit Russland (damals die Sowjetunion) mit sich bringen könnte, bestens vertraut, da sie mehrere Einsätze in Kampfeinheiten absolviert hatten, die sich genau auf diese Aufgabe konzentrierten. Ihre Ausbildung war mehr als nur akademisch.

Diese Offiziere dienten später bei Einsätzen, die sie an die Front des Kalten Krieges brachten, entweder bei der Verbindungsmission des US-Militärs in Potsdam, damals Ostdeutschland, wo sie die Sowjets genau im Auge behielten, oder als Militärattachés in Moskau oder anderen Hauptstädten des Warschauer Paktes.

Der Höhepunkt in der Karriere eines FAO-Offiziers war die Abkommandierung als Militärattaché nach Moskau. Hier beaufsichtigte er die Sammlung von Informationen zur Unterstützung der nationalen Sicherheitsziele und beriet direkt den US-Botschafter, die Stabschefs im Pentagon und das Weiße Haus.

Heute ist das Ausbildungsprogramm für FAOs nur noch ein Schatten seiner selbst und bringt Offiziere hervor, die eher politisch als militärisch agieren. Ein Beispiel ist Alexander Vindman, ein FAO, der für Eurasien zuständig ist und der während der ersten Anhörungen zum Amtsenthebungsverfahren gegen den damaligen US-Präsidenten Donald Trump aussagte. Dasselbe gilt für Brittany Stewart, die Militärattaché der US-Botschaft in Kiew ist und die während einer Tour durch die Donbass-Region mit einem Aufnäher mit dem Totenkopfabzeichen der Waffen-SS einer ukrainischen Brigade fotografiert wurde.

Das vorhandene Fachwissen ist so oberflächlich, dass der derzeitige Militärattaché in Moskau, Konteradmiral Philip Yu, ein chinesisch-stämmiger FAO ist, der praktisch keine Erfahrung in amerikanisch-russischen Militärangelegenheiten hat.

Man vergleiche dies mit dem Militärattaché Armee-Brigadier-General Gregory Govan, der Moskau während des Putsches im August 1991 zugeteilt war. Dieser Attaché hatte zwei Diensteinsätze in Potsdam und insgesamt drei Diensteinsätze in Moskau abgeleistet. Wenn entweder der US-Botschafter oder hochrangige politische Entscheidungsträger in Washington Fragen zum sowjetischen Militär hatten, griffen sie zum Telefon und riefen einen echten Experten an. Darüber hinaus war Govan kein Ideologe. Sein Aufsatz über den "Spirit of Torgau" (Geist von Torgau) spiegelte seine tiefe Wertschätzung für die Geschichte und Kultur Russlands wider, was seinen Rat noch wertvoller machte.

Amerikanische Militärattachés sind nur ein Teil einer größeren diplomatischen Präsenz, die von der US-Botschaft in Moskau aus geführt und vom Botschafter beaufsichtigt werden. Während der Amtszeit von Brigadier-General Gregory Govan war der US-Botschafter Jack Matlock, ein Berufsdiplomat und einer der erfahrensten und sachkundigsten Russlandexperten im US-Außenministerium.

Konteradmiral Philip Yu hingegen berichtet an John Sullivan, einem von Donald Trump politisch beauftragten Botschafter mit bedeutender Regierungserfahrung, hauptsächlich als Anwalt, aber ohne wirkliche Expertise zu Russland. Kurz gesagt, in einem der kritischen Momente in der amerikanisch-russischen Geschichte hat Washington einen politisch ernannten Anwalt als Botschafter, der von einem Marineoffizier beraten wird, dessen Spezialgebiet China ist.

In Anerkennung der politischen Rolle, die Botschafter spielen, unterstützt das Außenministerium sie mit Beamten des Auslandsdienstes, die als Stellvertretende Leiter der Mission (DCM) agieren. Jack Matlocks DCM war James Collins, der wie Matlock ein hochrangiger Russlandexperte war. John Sullivans DCM ist Bartle Gorman, dessen Hintergrund in der diplomatischen Sicherheit liegt.

Angesichts der Tatsache, dass die US-Botschaft in Moskau nicht in der Lage ist, etwas Wesentlicheres als aktuelle Updates zu den laufenden Ereignissen bereitzustellen, und der Generalstab im Pentagon, der Außenminister und der nationale Sicherheitsberater in ihrem jeweils eigenen ideologischen Gefängnis gefangen sind, fällt die Last, echtes Fachwissen in Bezug auf Angelegenheiten mit Russland bereitzustellen, auf die Schultern von drei Personen: Victoria Nuland, Staatssekretärin für politische Angelegenheiten, Eric Green, Sonderassistent des Präsidenten und leitender Direktor für Russland und Zentralasien im Nationalen Sicherheitsrat und William Burns, Direktor der CIA.

Nulands Referenzen sind nicht zu verachten, denn sie hat mehr als drei Jahrzehnte lang als Diplomatin gedient und sich während dieser Zeit solide Kenntnisse in europäischen, transatlantischen und russischen Angelegenheiten angeeignet. Allerdings hat ihre Rolle 2014 bei der ukrainischen Maidan-Revolution ihre Glaubwürdigkeit als eine Person, die in der Lage wäre, effektiv ihren russischen Kollegen entgegenzutreten, kompromittiert, was ihre Funktion als Beraterin einschränkt. Außerdem ist Nuland aus dem gleichen ideologischen Holz geschnitzt wie Antony Blinken und Jake Sullivan. Ihr Nutzen, Joe Biden von einem möglichen Konflikt mit Russland wegzuführen, ist bestenfalls indirekt. Da sie die politischen Positionen Blinkens und Sullivans so präzise einnimmt, ist der Wert ihrer Ratschläge verhalten.

Eine Quelle potenzieller politischer Meinungsverschiedenheiten ist Eric Green, ein Berufsoffizier im Auswärtigen Dienst mit beträchtlicher Erfahrung in den Angelegenheiten mit Russland, unter anderem als Direktor des Außenministeriums, des Büros für russische Angelegenheiten, des Büros für europäische und eurasische Angelegenheiten und als Ministerrat für politische Angelegenheiten bei der US-Botschaft in Moskau. Green hat bereits das Ohr des Präsidenten, da er bisher bei jedem Telefonat zwischen Biden und Putin und auch beim Gipfeltreffen in Genf im Juni 2021 anwesend war. Vordergründig Jake Sullivans Untergebener, ist Greens Fähigkeit, Ratschläge zu potenziellen diplomatischen Auswegen in Bezug auf die aktuelle Krise zu geben, real. Ebenso wie das Gleichgewicht, das er angesichts der unpolitischen Natur seines dienstlichen Werdegangs bieten kann.

Die Person mit dem größten Potenzial, den Kurs der selbstmörderischen Russlandpolitik der Biden-Administration zu ändern, ist seiner Dienstbezeichnung nach die am wenigsten qualifizierte: William Burns, der Direktor der CIA. Burns verfügt jedoch über einen Lebenslauf, der eher förderlicher ist für Hintergrunddiplomatie als für verdeckte Geheimdienstoperationen. In der Tat ist der Titel seiner Memoiren als Diplomat aus dem Jahr 2019 "The Back Channel: A Memoir of American Diplomacy and the Case for Its Renewal" (Der inoffizielle Kanal: Memoiren amerikanischer Diplomatie und das Argument für ihre Erneuerung) in dieser Hinsicht selbsterklärend. Biden hat den Dienst von Burns bereits in Anspruch genommen und den CIA-Direktor im November 2021 nach Moskau entsandt, um die Spannungen zwischen den beiden Nationen abzubauen.

Angesichts einer drohenden politischen Katastrophe, die das Potenzial hat, die Beziehungen der USA zur NATO, zu Europa und der Welt zu untergraben, zu einer Zeit, in der die US-Administration versucht, die Wahrnehmung, wenn nicht sogar die Realität als Führungsmacht zu behaupten, ist es wahrscheinlich, dass US-Präsident Biden sich mehr und mehr an William Burns wenden wird, um Probleme zu lösen, die durch die Inkompetenz seines Außenministers und seines nationalen Sicherheitsberaters entstanden sind.

Burns könnte sehr wohl feststellen, dass er im Nationalen Sicherheitsrat von Eric Green gekonnt unterstützt wird, dessen Fachwissen den bisherigen ideologischen Ansatz von Jake Sullivan verdrängen würde.

Ob Joe Biden auf die Expertise von Burns und Green zurückgreifen wird, bleibt abzuwarten. Eines ist sicher: Die Reise, zu der die USA auf Anraten von Blinken und Sullivan mitgenommen wurden, kann nur in Peinlichkeit und Verderben enden. Hoffentlich ist US-Präsident Biden weise genug, dies zu erkennen und diejenigen hinzuzuziehen, die helfen können, einen diplomatischen Weg hin zum Frieden zu finden.

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Übersetzt aus dem Englischen.

Scott Ritter ist ein ehemaliger Offizier für Aufklärung der US-Marineinfanterie und Autor von "SCORPION KING: America's Suicidal Embrace of Nuclear Weapons from FDR to Trump". Er diente den USA in der Sowjetunion als Inspektor für die Umsetzung der Auflagen des INF-Vertrags, während des Zweiten Golfkriegs im Stab von General Norman Schwarzkopf und war danach von 1991 bis 1998 als Waffen-Chefinspekteur bei der UNO im Irak tätig. Derzeit schreibt Ritter über Themen, die die internationale Sicherheit, militärische Angelegenheiten, Russland und den Nahen Osten sowie Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung betreffen. Man kann ihm auf Twitter unter @RealScottRitter folgen.

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