Meinung

Stimmungslage Kriegswinter 44/45: Appell in der "Zeit" fordert letztes Aufgebot

In einem in der "Zeit" veröffentlichten Appell fordern Politiker, Wissenschaftler und sonstige "Osteuropa-Experten", der Ukraine angesichts der prekären Lage alles an Unterstützung zu geben, was es zum Sieg braucht. Die Unterzeichner sorgen sich nicht nur um die Ukraine, sondern wohl auch um sich.
Stimmungslage Kriegswinter 44/45: Appell in der "Zeit" fordert letztes AufgebotQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Christian Spicker

Von Gert Ewen Ungar

Ein Appell an die Bundesregierung in der Wochenzeitung Die Zeit entwirft eine Stimmung und Atmosphäre, die an den Winter 1944/45 in Deutschland erinnert. Der Krieg geht verloren, der Russe steht vor der Tür, es wird zum letzten Aufgebot geblasen. Mit Gräuelpropaganda wird den Deutschen Angst davor gemacht, was eine Niederlage angeblich bedeutet, weshalb jetzt wirklich alles in die Schlacht zu werfen ist. 

Wenn die wilden Horden aus dem Osten erst eingefallen sind, werden sie vergewaltigen und brandschatzen, verbreitete man damals und tut es heute wieder, machen Politiker, Historiker und Osteuropa-Experten in der Wochenzeitung Die Zeit deutlich. Sie rufen dazu auf, der Ukraine alles an Unterstützung zu geben. 

"Russlands Krieg zielt auf die Integrität und Unabhängigkeit, ja auf die kulturelle Existenz der Ukraine: Die Vergewaltigung und Folterung der ukrainischen Bevölkerung und die Entführung von Kindern nach Russland mit dem Ziel der Assimilierung hat in der russischen Besatzungspolitik System",

behaupten die Unterzeichner des propagandistischen Appells in Stürmer-Manier. 

Man müsse daher mehr tun, mehr liefern, größere Anstrengungen unternehmen, denn die Ukraine verteidigt bekanntermaßen nicht nur sich, sondern den ganzen freien Westen, wiederholt der Appell die schon tausendmal vorgetragenen Phrasen des deutschen Narrativs über den Ukraine-Konflikt. Sie werden dadurch nicht wahrer.

Der Auslöser des Krieges ist die Missachtung russischer Sicherheitsinteressen durch die geplante Aufnahme der Ukraine in die NATO. Der Ukraine-Konflikt hat mit irgendwelchen Werten und einem angeblichen Kampf Russlands gegen die liberalen Demokratien nichts zu tun. Das kann auch gar nicht sein, denn von all diesen Werten ist in der Ukraine nichts vorhanden. Es herrscht dort strenge Zensur, die Opposition ist verboten, Journalisten und Regierungsgegner werden verfolgt. Auch in der EU und in Deutschland steht es um all diese Werte nicht zum Besten. Dennoch wiederholt der Beitrag auch diese vielfach widerlegte Behauptung. 

"Die Ukraine verteidigt unsere Werte, und unser existenzielles Sicherheitsinteresse gebietet es, sie dabei mit aller Kraft zu unterstützen, solange sie selbst diesen Krieg auf sich nimmt."

All diese Desinformation wird durch die Wiederholung freilich nicht wahrer. Es geht um geopolitische Interessen. Der Westen strebt danach, sich nach Osten auszudehnen, dort seine Wirtschaftsordnung zu implementieren und an Macht und Einfluss zu gewinnen. Worum es nicht geht, sind Demokratie und Menschenrechte. 

Nun wird der NATO im Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland, der in der Ukraine ausgetragen wird, eine Grenze aufgezeigt. Die NATO hat die Eskalation angezettelt, immer weiter getrieben und verliert sie jetzt. Natürlich wird das auch für die NATO Konsequenzen haben. Das sehen die Unterzeichner richtig.

Die Behauptung jedoch, "Russlands imperiale Ambitionen werden dadurch weiter angestachelt", ist Desinformation, deren Fake-News-Charakter noch dadurch erhöht wird, dass der Appell suggeriert, als Nächstes wäre dann das Baltikum dran.

"Um eine dominante Position Russlands in Europa zu verhindern, ist die Eindämmung der russischen Expansion in der Ukraine notwendig",

heißt es im Beitrag. 

Noch einmal, damit es wirklich deutlich wird. Es geht Russland nicht um Expansion. Der völkerrechtlich bindende Vertrag Minsk 2 war, im Gegenteil, der von Russland unterstützte Versuch, die territoriale Integrität der Ukraine zu erhalten, obwohl die Donbasser Republiken schon früh um eine Eingliederung in die Russische Föderation gebeten hatten. Russland lehnte dies ab. Die Minsker Vereinbarung sollte in 13 Schritten zum Frieden führen, wobei der Donbass Teil der Ukraine bleiben sollte. Vorgesehen war unter anderem die Föderalisierung der Ukraine. Die Donbasser Region sollte mehr Autonomie erhalten. Das wurde nie umgesetzt. Stattdessen wurde die Ukraine vom Westen militärisch aufgerüstet und weiter eskaliert. 

Ganz uneigennützig und ausschließlich im Interesse der Ukraine sowie der westlichen Werte handeln die Unterzeichner jedoch wohl nicht. Initiiert haben den Appell unter anderem Norbert Röttgen (CDU) und Claudia Major vom Think-Tank mit dubioser Vergangenheit, Stiftung Wissenschaft und Politik. Gegründet wurde der Think-Tank von Klaus Ritter, der während der NS-Diktatur Mitglied beim Nachrichtendienst "Fremde Heere Ost" war. Claudia Major steht da klar in einer Tradition.

Unterzeichnet haben ihn die üblichen Verdächtigen aus dem Kreis der Kriegstreiber: Roderich Kiesewetter (CDU), Marieluise Beck und Ralf Fücks vom Think-Tank "Zentrum Liberale Moderne", Anton Hofreiter (Grüne), Dauer-Talkgast und Waffen-Fan Carlo Masala. Ihnen muss klar sein, dass im Fall einer Niederlage auch für sie viel auf dem Spiel steht, denn sie haben ihr politisches Schicksal mit dem der Ukraine verknüpft.

Verliert die Ukraine, ist damit klar, wer in Europa im Konfliktfall die Macht hat, Regeln zu setzen. Das ist weder die EU, noch ist es die NATO oder gar Deutschland, vor allem sind es nicht die Unterzeichner. Sie werden mit der Niederlage der Ukraine unbedeutend. Sollte es in Deutschland sogar zu einer Aufarbeitung des Ukraine-Konflikts und der deutschen Rolle darin kommen, geht es sogar um noch mehr als um das bloße Versinken in der Bedeutungslosigkeit. Die Unterzeichner und Initiatoren des Appells tragen die Verantwortung dafür, dass die Ukraine sinnlos verheizt und eine ganze Generation von ukrainischen Männern den Tod gefunden hat. Im Falle einer Aufarbeitung müssten sie sich dafür verantworten. 

Die Unterzeichner und Initiatoren werden sich daher mit großer Wahrscheinlichkeit eines Tages wünschen, sie hätten sich mindestens ebenso sehr für die Umsetzung von Minsk 2 eingesetzt, wie sie sich später für Waffenlieferungen verwendet haben. Damit hätte man die Illusion aufrechterhalten können, die EU und deutsche Politik wären in Europa gestaltende Kräfte und zehntausende Ukrainer wären noch immer am Leben. So aber wird klar, wer hier im Zweifelsfall wen einhegt.

Man hätte das übrigens alles vorher wissen können, wenn man sich an den letzten Versuch erinnert hätte, als Deutschland darauf abzielte, Russland die Regeln zu diktieren. Dann müsste man im Winter 2023/24 auch keine Stimmung verbreiten, wie sie im Winter 1944/45 in Deutschland herrschte.

Mehr zum Thema – Deutsche Propaganda: Wie "Die Zeit" ihre Leser in den Dritten Weltkrieg führt

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